Freie Mitarbeiter: Auch mehrere Auftraggeber schützen nicht vor Scheinselbständigkeit

Bei Statusfragen immer zum Anwalt

Die Frage der Bewertung des sozialrechtlichen Status von freien Mitarbeitern wird in der Praxis nicht nur vom Auftraggeber sondern regelmäßig auch vom Steuerberater unterschätzt. Immer wieder wird die Gewerbeanmeldung oder das Vorhandensein weiterer Auftraggeber als ausreichend angesehen. Die Sozialgerichte messen diesen beiden genannten Tatsachen jedoch kaum rechtliche Bedeutung zu. Vielmehr hat sich in der sozialrechtlichen Praxis eine sehr detailreiche Rechtsprechung herausgebildet. Diese muss bekannt sein, um den konkreten Einzelfall bewerten zu können.

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat mit Beschl. v. 18.01.2021 –  L 8 BA 16/20 B ER – zur Frage der Selbständigkeit einer freien Mitarbeiterin in der Büroorganisation entschieden:

„Eine Selbstständigkeit wird nicht allein durch die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber begründet. Vielmehr erhält dieses Kriterium erst in der Zusammenschau mit weiteren – hier weder vorgetragenen noch ersichtlichen – typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotene Leistung, an Gewicht.“

Ergänzende Hinweise des Anwalts für Sozialversicherungsrecht

Der Beschluss des LSG entspricht genau der aktuellen „Linie“ des Bundessozialgerichts (BSG). Danach ist das Vorhandensein weiterer Auftraggeber zwar nicht unbeachtlich. Jedoch wird grundsätzlich nur das konkrete Vertragsverhältnis zum jeweiligen Auftraggeber bewertet. Weitere Auftraggeber haben nur dann Bedeutung, wenn sich der Auftragnehmer gegenüber dem Markt als Gesamtbild eines „echten“ Unternehmers darstellt. Auftraggeber und Auftragnehmer haben vorliegend die typischen „Fehler“ bei freier Mitarbeit begangen. So wurde die Auftragnehmerin auf der Internetseite des Auftraggebers in der Rubrik „Team“ darstellt. Weiter verfügte die Auftragnehmerin über eine eigene interne E-Mail-Adresse. Auch wurden in den Geschäftsräumen des Auftraggebers Telefongespräche von Kunden entgegengenommen. Im Ergebnis ist sehr wahrscheinlich, dass der Bescheid der Rentenversicherung vom 08.7.2019 mit einer Nachforderung von Sozialbeiträgen in Höhe von 51.944,17 € Bestand hat.

Voller Werbungskostenabzug auch bei lockdownbedingter Mietminderung möglich

Oberfinanzdirektion gibt Entwarnung

Der Lockdown der Bundesregierung macht nicht nur Friseuren, Gastronomen, Hotels und dem Einzelhandel sehr zu schaffen, sondern auch privaten Mietern, die bereits ihren Job verloren haben. Aber auch für Vermieter von Gewerbeimmobilien, Eigentums- oder auch Ferienwohnungen geht es jetzt buchstäblich „ans Eingemachte“.

Denn wenn gewerblichen Mietern das Wasser bis zum Hals steht, weil sie keine Einnahmen erzielen dürfen, dann können viele von ihnen auch die Miete nicht mehr oder zumindest nicht in der vereinbarten Höhe bezahlen. Da bleibt nur der Ausweg, mit dem Vermieter eine Mietstundung oder gar einen Mieterlass zu vereinbaren. Vermieter, die ihre Bestandsmieter schätzen, sind da oftmals sehr entgegenkommend, denn ein Spatz in der Hand ist meist besser als die Taube auf dem Dach.

Schlimm genug, dass sie wohl oder übel zustimmen müssen, weniger Einnahmen mit ihrer Immobilie zu generieren. So sieht es zumindest das Oberlandesgericht Dresden, welches kürzlich entschied, dass ein Mieter für ein Ladenlokal, welches von einer coronabedingten staatlichen Schließungsanordnung betroffen war, nur einen angepassten Mietzins zahlen muss. Das Gericht sah eine Reduzierung der Kaltmiete um 50 % als gerechtfertigt an, weil keine der Parteien die Störung der Geschäftsgrundlage verursacht oder sie vorhergesehen hat. Daher sei es angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.

Doch wie wirkt sich so ein freiwilliges oder auch erzwungenes Entgegenkommen eigentlich steuerlich aus? Das fragen sich derzeit viele Vermieter. Denn schließlich gilt ja beispielsweise für Wohnimmobilien seit langem, dass diese zumindest zu einer ortsüblichen Vergleichsmiete vermietet werden müssen. Und auch bei Gewerbeimmobilien und der Vermietung von Ferienwohnungen schaut der Fiskus bei Leerstand und Verlusten ganz genau hin.

Ab 2021 sind mehr Werbungskosten bei verbilligter Wohnungsvermietung abziehbar
Wer zu billig vermietet, dem wird der Werbungskostenabzug anteilig gekürzt. Das führt dazu, dass trotz einer geringen Mieteinnahme noch Gewinne zu versteuern sind, die wirtschaftlich gar nicht entstanden sind. Da der Gesetzgeber dieses (verfassungsrechtlich sehr bedenkliche) Besteuerungskonzept nur schwer argumentativ aufrechterhalten kann, hat er den Kritikern zum Jahreswechsel den Wind ein wenig aus den Segeln genommen.

Die maßgebliche Schwelle, bei der die Werbungskosten bei der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anteilig gekürzt werden, wurde von 66 % der ortsüblichen Vergleichsmiete auf 50 % herabgesenkt. Das bedeutet: Vermieter können ihre Werbungskosten künftig auch dann in vollem Umfang abziehen, wenn das Entgelt mindestens 50 % der ortsüblichen Miete beträgt. Es gibt allerdings dabei noch einen Haken, denn wenn sich ein Werbungskostenüberhang – also ein Verlust – ergibt, muss oftmals auch noch nachgewiesen werden, dass überhaupt eine Einkunftserzielungsabsicht vorliegt. Dies wird regelmäßig mit einer sogenannten Totalüberschussprognose nachgewiesen, d. h. einer Berechnung über einen Zeitraum von in der Regel 30 Jahren.

Totalüberschussprognose bei Vermietung von Gewerberäumen und Ferienwohnungen oft nötig
Für die Vermietung von Gewerbeimmobilien ist zwar keine Kürzung der Werbungskosten vorgesehen. Aber im Verlustfall, insbesondere aufgrund eines längeren Leerstands, muss auch hier zumindest die Einkunftserzielungsabsicht durch eine Totalüberschussprognose nachgewiesen werden. Bei Ferienwohnungen ist die Überschussprognose regelmäßig erforderlich. Nach einem neueren Urteil des Bundesfinanzhofes vom 26.05.2020 (IX R 33/19) ist jedoch keine Totalüberschussprognose erforderlich, sofern die Ferienwohnung ortsübliche Vermietungszeiten aufweist.

Keine Werbungskostenkürzung bei coronabedingter Mietminderung
Die Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen hat jetzt für Vermieter Entwarnung gegeben. Coronabedingte Mieterlasse sind weder bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete bzw. der Begrenzung des Werbungskostenabzugs noch bei der Beurteilung der Einkunftserzielungsabsicht zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass so getan werden kann, als hätte es den Mieterlass schlicht nicht gegeben.

Beispiel:
Ein Ehepaar vermietet seit Jahren eine Eigentumswohnung an ihre Tochter für 60 % der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Tochter betreibt ein kleines Lokal und kann aufgrund des Corona-Lockdowns seit Februar 2021 die Miete für die Privatwohnung nicht mehr bezahlen, da ihre finanziellen Reserven aufgebraucht sind.

Bis einschließlich 2020 war der Werbungskostenabzug auf 60 % begrenzt, da die Miete nur 60 % der ortsüblichen Vergleichsmiete betrug. Im Januar 2021 liegt die Miete mit 60 % über der neuen Grenze von 50 %. Dem Ehepaar steht der ungekürzte Werbungskostenabzug zu, sofern das Mietverhältnis als entgeltlich zu beurteilen ist. Da das Mietentgelt allerdings auch in 2021 unter 66 % der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, war zum Jahresbeginn 2021 eine Totalüberschussprognose erforderlich, um die Entgeltlichkeit des Mietverhältnisses zu beurteilen.

Die Mietminderung ab Februar ändert daran nichts. Nach der OFD-Verfügung sind die Werbungskosten auch ab Februar 2021 in voller Höhe abzugsfähig, da sich der coronabedingte Mietausfall nicht auf die bisherige Beurteilung auswirkt.

Hinweis: Wurden Mietstundungen oder -erlasse vereinbart, sollten Vermieter keinesfalls zögern, ihr zuständiges Finanzamt hiervon zu unterrichten und gegebenenfalls die eigenen Steuervorauszahlungen nach unten anpassen zu lassen. Die dadurch gewonnene Liquidität kann dann zumindest teilweise für den eigenen Finanzierungsdienst (Zins und Tilgung) eingesetzt werden.